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Presseinformation
Energiewende auf Kosten der niedersächsischen
Küstenfischerei?
Die Fischerei ist eine der ursprünglichsten
Formen der Aneignungswirtschaft: es wird das entnommen, was
natürlicherweise nachwächst. Und bitte nicht mehr! Die Natur wird nicht
umgestaltet, es wird kein wachstumsförderndes Mittel eingesetzt, keine
Medikamente und kein zusätzliches Futter. Die niedersächsische
Küstenfischerei ist nachhaltig und darf deswegen schon seit Jahren das
international anerkannte MSC Nachhaltigkeitszertifikat führen. Viele
Auflagen und Bestimmungen hat sie hierfür zu erfüllen. Die
Küstenfischerei ist Teil der marinen Tradition Niedersachsens und ein
Anziehungspunkt für die vielen Küstenbesucher.
Mit jährlich 15 Mio.
m³ oder 200 Mio. handelsüblicher Schubkarren Baggergut aus den Mündungen
der Ems, Jade und Weser, die für die Hafenindustrie aufgenommen und im
Nahbereich der Küste wieder verklappt werden, müssen die hiesigen
Fischereibetriebe schon seit Jahren klarkommen. "Braune Suppe" schimpfen
die Fischer, "Gubbelwasser" in ihren Fanggebieten. Im niedersächsischen
Bereich des trilateralen Weltnaturerbes wird doppelt so viel gebaggert
und verklappt wie im übrigen Bereich zusammen! Das schon lange
geforderte und versprochene übergeordnete Sedimentkonzept lässt auf sich
warten.
Nun kommt die Energiewende! 8 GW Stromleistung von
Offshorewindparks haben wir derzeit. Bis 2030 sind 30 GW geplant, bis
2045 sollen es gar 70 GW werden. Was für eine zusätzliche Fläche soll im
Meer mit Windrädern verbaut werden? - Flächen, die der Fischerei
verloren gehen. Wie viele zusätzliche Kabel müssen an Land gezogen
werden, durch das Welterbegebiet Wattenmeer, durch die Fanggebiete der
hiesigen Küstenfischer?
Und nun auch noch die LNG Terminals! Allein
der geplante erste LNG Terminal in Wilhelmshaven verursacht 1 Mio. m³
zusätzliche Baggermengen für den Zufahrtsbereich und die Liegewanne.
Dauerhaft ist von „erheblichen“ Mengen die Rede. Hinzu kommen Entnahme
und Einleitung von Meerwasser, zurück allerdings erwärmt und mit
Bioziden - also Giften, die unerwünschten Bewuchs wie Muscheln,
Schnecken und Algen in den Leitungen abtöten. Und das im Nahbereich von
Muschelkulturen.
Wer kümmert sich um die Fischer? "Die können ja
ausweichen!" Aber wohin? In den benachbarten Regionen sieht es
schließlich nicht besser aus. Und ist das erwünscht? Eine
niedersächsische Küste ohne Kutter, ohne Krabben- und Muschelfischerei?
Wenn trotz Energiewende weiterhin eine lebendige Fischerei in den
Häfen erhalten bleiben soll, muss man trotz beschleunigter Verfahren
zusammen mit der Küstenfischerei Lösungen finden. Lösungen, die auch bei
dem derzeit erwünschten „neuen deutschen Tempo“ Platz für die
traditionellen umweltverträglichen Nutzungen lassen. Lösungen, welche
die ohnehin schon durch Corona und Treibstoffkrise arg gebeutelten
Fischereibetriebe weiterbestehen lassen.
Hier wünschen wir uns das
gleiche Tempo und Engagement wie bei der derzeitigen Energiewende! Die
Fischerei möchte gern aktiv an ihrer Zukunft mitarbeiten...
…bevor es
zu spät ist...
Oldenburg, den 24.05.2022

Dirk Sander
1. Vorsitzender
Verband der Kleinen
Hochsee- und Küstenfischerei
Im Landesfischereiverband Weser-Ems e.V. |
Manuela Melle
Geschäftsführerin
Niedersächsische Muschelfischer GbR
|

Wie geht es weiter? 2022-2023-2024 ????

FSRU Regasifizierungseinheit und LNG-Flüssiggasterminal in
Wilhelmshaven:
Laut den bisherigen Planungsunterlagen werden ca. 1 Mio m³
Baggergut in der Zufahrtsbereich + Liegewanne gebaggert und verklappt
werden müssen. All das in unmittelbarer Nähe von Saatmuschelanlagen
und Kulturflächen der Muschelfischer.

Noch Fragen?
Im Grunde liegen 10
schlechte Jahre infolge hinter den niedersächsischen Betrieben. Die
Qualität und Stabilität der Kulturen ist schlecht, die verlässliche
Versorgung mit Jungmuscheln nicht gegeben. Es konnten keine
ausreichende Rücklagen zur Deckung der Betriebsausgaben für die 5
Kutter gebildet werden. Somit haben die Betriebe nur wenig Reserven
und die Situation entspannt sich voraussichtlich auch weiterhin nicht.
2011 war das letzte wirklich gute Verkaufsjahr, es wurden 7.300 to zu
einem guten Preis verkauft. Seitdem liegen die Verkaufsmengen zwischen
1.000 to und knapp 4.000 to. Gerade für den 2018 eingestiegenen
Norddeicher Jungfischer sind es schwierige Voraussetzungen, um
motiviert in die Muschelfischerei zu starten. Die
schleswig-holsteinischen Muschelfischer haben dahingegen die letzten
Jahre Rekordernten eingefahren. Wie kann es zu solch einem Unterschied
zwischen den Bundesländern kommen? Warum läuft die Muschelfischerei
schon seit Jahren in Niedersachsen so schlecht?
Frustrierend
ist insbesondere, dass in Niedersachsen keine Besserung in Aussicht
ist, im Gegenteil: der Zustand der Kulturen wird immer schlechter! Sie
sind instabil, verschlicken rasant und auch die Strömungsbedingungen
verändern sich permanent. Aber auch die Neuansiedlung von
Jungmuschelbänken bleibt zunehmend aus. Woran kann es liegen?
Die Gründe sind vielfältig: Zunehmende Baggerungen und Verklappungen
im niedersächsischen Küstenmeer, zahlreiche Kabelverlegungen für die
Anbindung von Offshore-Windparks aber auch zwischen den Nachbarländern
sowie die Hafenausbauten von Wilhelmshaven, Emden, Eemshaven, führen
zu zunehmendem Sediment in der Wassersäule, was für die Muscheln, die
sich filtrierend ernähren, Stress bedeutet. Zudem verschlicken die
Kulturen stärker, sie werden instabil und unproduktiv. Die
Einwanderung der Pazifische Auster bedeutet Nahrungskonkurrenz und es
wird auch vermutet, dass sich die größeren Austern von den Larven der
Miesmuscheln ernähren. Die Klimaveränderungen mit den milden Wintern
verhindern das Absterben von Fressfeinden in den kalten Monaten und
die heißen Sommer. Die zu warmen Frühjahre, heißen Sommer sowie die
Zunahme von mehrtägigen Stürmen aus Südwest, die auch noch früher im
Herbst auftreten, bedeuten großen Stress für die Muscheln bis hin zum
Absterben. Auch dieses Jahr vernichtete der Orkan "Zeynap" Ende
Februar alle noch verbliebenen Muscheln auf den Kulturen. Alles
Stellschrauben, an denen die Fischerei selber nicht drehen kann.
Die niedersächsischen Muschelfischer sehen mit Sorge in die
Zukunft: die eingeleitete Energiewende mit noch mehr Hafenausbauten
(LNG Terminals), noch mehr Kabel (massiver Ausbau der
Offshore-Windparks), noch mehr Flussvertiefungen (Weser)... und diese
fast ausschließlich an der niedersächsischen Küste . Alles zusammen
führt dazu, dass die Muschelfischerei in Niedersachsen ernsthaft in
Bedrängnis kommt!
Und so liegt die Beantwortung der Frage auf
der Hand: Das schleswig-holsteinische Wattenmeer ist ein Naturraum,
das niedersächsische ein Wirtschaftsraum.
Offshoreprojekte in Deutschland bis
2030 Quelle: Tennet, Stand Mai 2022


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