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~~ 2023 ~~


Das wünsche ich „meinen“ Fischern

Ach du lieber Weihnachtsmann
guck dir mal die Fischer an:
da sieht man sie nun schwitzen,
mit viel Papier am Schreibtisch sitzen.

Was haben uns die letzten Jahre denn beschert?
Allerhand, was das Fischer-Leben sehr erschwert.
Windparks, Kabeltrassen, FSRU,
das mobilisiert die Fischer doch im nu.

Viele Baggerungen kommen noch dazu,
das bring Sediment ins Wasser – Oh Juhu!
Und ein paar neue Hafenbauwerke,
treffen die Fischer in voller Härte.

Die Fischer lernen nun von Tag zu Tag,
was sie alles noch zu quälen mag.
FSRU, Biozid und LNG,
sind das tägliche Fischer - ABC.

Ach du lieber Weihnachtsmann,
tu das nicht den Fischern an.
Lass sie nur einfach ihre Arbeit tun
und jetzt zum Fest ganz selig ruh ́n.


Dem einen den Schiet...

Das beherrschende Thema dieses Jahres, welches uns monatelang beschäftigt hat und auch im kommenden Jahr beschäftigen wird, ist die Errichtung des LNG-Terminals mit einer Regasifizierungseinheit (FSRU) in Wilhelmshaven im unmittelbaren Nahbereich von 3 Saatmuschelanlagen (SMA) auf der Jade (400 - 1.300 m Entfernung).

All unsere, immer wieder vorgebrachten, Bedenken gegen den Einsatz von Chlor als Biozid (Gift zum Abtöten von Bewuchs in den Rohrleitungen, also auch Muscheln und Algen) wurden von den Genehmigungsbehören und den Betreibern NPorts sowie Uniper negiert. So werden jährlich fast 200 Mio. Kubikmeter kontaminiertes Abwasser (darin alleine 35 t Chlor) - sogenanntes "Prozesswasser" - in der unmittelbaren Nähe unserer Jungmuschelkollektoren (SMA) eingeleitet. Dabei ist zu bedenken, dass die SMA seinerzeit als nachhaltige Weiterentwicklung der Muschelfischerei mit Fördermitteln des Umweltministeriums erforscht und gefördert wurden.

Die Genehmigungen zum Betreiben des FSRU wurden im Schnellverfahren kurz vor Weihnachten erteilt und stützen sich auf Gutachten, die keinerlei Auswirkungen auf die Meeresumwelt betrachten. Folglich wird auch auf jegliche Beweissicherung an den Muscheln, Sedimenten und ortsfesten Organismen verzichtet, die Langzeitschäden dokumentieren könnten; es werden lediglich Kontrollen des Wassers (regelmäßige Eigenkontrollen durch den Betreiber sowie Stichprobenkontrollen durch Behörden) an einigen Probenstellen gefordert.

Unsere größten Bedenken sind, dass die Muscheln an den Langleinen absterben bzw. sich gar nicht erst ansiedeln oder aber durch die Einleitungen verursachte schädliche Substanzen akkumulieren - schließlich sind wir Lebensmittelproduzenten! Und die Muscheln stellen eine wichtige Nahrungsquelle für natürliche Prädatoren entlang der Nahrungskette dar - in denen sich die Giftstoffe weiter anreichern können.

Wir hätten uns seitens der Landesregierung einen anderen Umgang mit unseren Belangen sowie eine frühzeitige Einbeziehung in die Planung gewünscht.

Der ehemalige Umwelt- und Landwirtschaftsminister des Landes Schleswig-Holstein, Robert Habeck, hat sich 2015 damit gebrüstet, den sogenannten "Muschelfrieden", also die Verlängerung des öffentlichrechtlichen Vertrages zwischen Muschelfischern und dem Land, herbeigeführt zu haben. Ein wesentliches Kernstück war die Errichtung von Saatmuschelanlagen, um den Druck der Besatzmuschelfischerei im Nationalpark zu minimieren. Eine Maßnahme, die in Niedersachsen schon 10 Jahre zuvor ergriffen wurde. Mit der Errichtung des LNG Terminals in Wilhelmshaven wird dieses Nachhaltigkeitsprojekt in Niedersachsen konterkariert.


Auffällig ist, dass die Hauptlast der Energiewende Niedersachsen betrifft: zusätzlich werden in den kommenden Jahren 25 Kabeltrassen zur Anbindung der geplanten Offshore-Windparks den niedersächsischen Nationalpark Wattenmeer queren müssen. Mindestens drei LNG Terminals sind geplant - zwei in Wilhelmshaven, im unmittelbaren Nahbereich des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer und eines in Stade.

In Schleswig-Holstein ist dahingegen ist nur eine weitere Kabeltrasse geplant und das LNG Terminal in Brunsbüttel (ohne Einsatz von Bioziden!!!) ist weitab vom Nationalpark. Die 62 Millionen Euro Fördermittel für den Neubau von LNG-Tankern wurden feierlich durch Herrn Minister Habeck einer Werft in Flensburg überreicht, unserer Meinung nach dem Motto: Dem einen den Schiet, dem anderen den Profit!

Herr Habecks Wohnort liegt übrigens 20 km von der Werft entfernt - ein Schelm, der Böses dabei denkt...

 

~~ 2022 ~~

 

Presseinformation

Energiewende auf Kosten der niedersächsischen Küstenfischerei?


Die Fischerei ist eine der ursprünglichsten Formen der Aneignungswirtschaft: es wird das entnommen, was natürlicherweise nachwächst. Und bitte nicht mehr! Die Natur wird nicht umgestaltet, es wird kein wachstumsförderndes Mittel eingesetzt, keine Medikamente und kein zusätzliches Futter. Die niedersächsische Küstenfischerei ist nachhaltig und darf deswegen schon seit Jahren das international anerkannte MSC Nachhaltigkeitszertifikat führen. Viele Auflagen und Bestimmungen hat sie hierfür zu erfüllen. Die Küstenfischerei ist Teil der marinen Tradition Niedersachsens und ein Anziehungspunkt für die vielen Küstenbesucher.

Mit jährlich 15 Mio. m³ oder 200 Mio. handelsüblicher Schubkarren Baggergut aus den Mündungen der Ems, Jade und Weser, die für die Hafenindustrie aufgenommen und im Nahbereich der Küste wieder verklappt werden, müssen die hiesigen Fischereibetriebe schon seit Jahren klarkommen. "Braune Suppe" schimpfen die Fischer, "Gubbelwasser" in ihren Fanggebieten. Im niedersächsischen Bereich des trilateralen Weltnaturerbes wird doppelt so viel gebaggert und verklappt wie im übrigen Bereich zusammen! Das schon lange geforderte und versprochene übergeordnete Sedimentkonzept lässt auf sich warten.

Nun kommt die Energiewende! 8 GW Stromleistung von Offshorewindparks haben wir derzeit. Bis 2030 sind 30 GW geplant, bis 2045 sollen es gar 70 GW werden. Was für eine zusätzliche Fläche soll im Meer mit Windrädern verbaut werden? - Flächen, die der Fischerei verloren gehen. Wie viele zusätzliche Kabel müssen an Land gezogen werden, durch das Welterbegebiet Wattenmeer, durch die Fanggebiete der hiesigen Küstenfischer?

Und nun auch noch die LNG Terminals! Allein der geplante erste LNG Terminal in Wilhelmshaven verursacht 1 Mio. m³ zusätzliche Baggermengen für den Zufahrtsbereich und die Liegewanne. Dauerhaft ist von „erheblichen“ Mengen die Rede. Hinzu kommen Entnahme und Einleitung von Meerwasser, zurück allerdings erwärmt und mit Bioziden - also Giften, die unerwünschten Bewuchs wie Muscheln, Schnecken und Algen in den Leitungen abtöten. Und das im Nahbereich von Muschelkulturen.

Wer kümmert sich um die Fischer? "Die können ja ausweichen!" Aber wohin? In den benachbarten Regionen sieht es schließlich nicht besser aus.
Und ist das erwünscht? Eine niedersächsische Küste ohne Kutter, ohne Krabben- und Muschelfischerei? Wenn trotz Energiewende weiterhin eine lebendige Fischerei in den
Häfen erhalten bleiben soll, muss man trotz beschleunigter Verfahren zusammen mit der Küstenfischerei Lösungen finden. Lösungen, die auch bei dem derzeit erwünschten „neuen deutschen Tempo“ Platz für die traditionellen umweltverträglichen Nutzungen lassen. Lösungen, welche die ohnehin schon durch Corona und Treibstoffkrise arg gebeutelten Fischereibetriebe weiterbestehen lassen.

Hier wünschen wir uns das gleiche Tempo und Engagement wie bei der derzeitigen Energiewende! Die Fischerei möchte gern aktiv an ihrer Zukunft mitarbeiten...

…bevor es zu spät ist...

Oldenburg, den 24.05.2022

Dirk Sander
1. Vorsitzender
Verband der Kleinen
Hochsee- und Küstenfischerei
Im Landesfischereiverband Weser-Ems e.V.
Manuela Melle
Geschäftsführerin
Niedersächsische Muschelfischer GbR






Wie geht es weiter? 2022-2023-2024 ????

FSRU Regasifizierungseinheit und LNG-Flüssiggasterminal in Wilhelmshaven:


Laut den bisherigen Planungsunterlagen werden ca. 1 Mio m³ Baggergut in der Zufahrtsbereich + Liegewanne gebaggert und verklappt werden müssen. All das in unmittelbarer Nähe von Saatmuschelanlagen und Kulturflächen der Muschelfischer.

Noch Fragen?

Im Grunde liegen 10 schlechte Jahre infolge hinter den niedersächsischen Betrieben. Die Qualität und Stabilität der Kulturen ist schlecht, die verlässliche Versorgung mit Jungmuscheln nicht gegeben. Es konnten keine ausreichende Rücklagen zur Deckung der Betriebsausgaben für die 5 Kutter gebildet werden. Somit haben die Betriebe nur wenig Reserven und die Situation entspannt sich voraussichtlich auch weiterhin nicht. 2011 war das letzte wirklich gute Verkaufsjahr, es wurden 7.300 to zu einem guten Preis verkauft. Seitdem liegen die Verkaufsmengen zwischen 1.000 to und knapp 4.000 to. Gerade für den 2018 eingestiegenen Norddeicher Jungfischer sind es schwierige Voraussetzungen, um motiviert in die Muschelfischerei zu starten.
Die schleswig-holsteinischen Muschelfischer haben dahingegen die letzten Jahre Rekordernten eingefahren. Wie kann es zu solch einem Unterschied zwischen den Bundesländern kommen? Warum läuft die Muschelfischerei schon seit Jahren in Niedersachsen so schlecht?

Frustrierend ist insbesondere, dass in Niedersachsen keine Besserung in Aussicht ist, im Gegenteil: der Zustand der Kulturen wird immer schlechter! Sie sind instabil, verschlicken rasant und auch die Strömungsbedingungen verändern sich permanent. Aber auch die Neuansiedlung von Jungmuschelbänken bleibt zunehmend aus. Woran kann es liegen?

Die Gründe sind vielfältig: Zunehmende Baggerungen und Verklappungen im niedersächsischen Küstenmeer, zahlreiche Kabelverlegungen für die Anbindung von Offshore-Windparks aber auch zwischen den Nachbarländern sowie die Hafenausbauten von Wilhelmshaven, Emden, Eemshaven, führen zu zunehmendem Sediment in der Wassersäule, was für die Muscheln, die sich filtrierend ernähren, Stress bedeutet. Zudem verschlicken die Kulturen stärker, sie werden instabil und unproduktiv. Die Einwanderung der Pazifische Auster bedeutet Nahrungskonkurrenz und es wird auch vermutet, dass sich die größeren Austern von den Larven der Miesmuscheln ernähren. Die Klimaveränderungen mit den milden Wintern verhindern das Absterben von Fressfeinden in den kalten Monaten und die heißen Sommer. Die zu warmen Frühjahre, heißen Sommer sowie die Zunahme von mehrtägigen Stürmen aus Südwest, die auch noch früher im Herbst auftreten, bedeuten großen Stress für die Muscheln bis hin zum Absterben. Auch dieses Jahr vernichtete der Orkan "Zeynap" Ende Februar alle noch verbliebenen Muscheln auf den Kulturen. Alles Stellschrauben, an denen die Fischerei selber nicht drehen kann.

Die niedersächsischen Muschelfischer sehen mit Sorge in die Zukunft: die eingeleitete Energiewende mit noch mehr Hafenausbauten (LNG Terminals), noch mehr Kabel (massiver Ausbau der Offshore-Windparks), noch mehr Flussvertiefungen (Weser)... und diese fast ausschließlich an der niedersächsischen Küste . Alles zusammen führt dazu, dass die Muschelfischerei in Niedersachsen ernsthaft in Bedrängnis kommt!

Und so liegt die Beantwortung der Frage auf der Hand: Das schleswig-holsteinische Wattenmeer ist ein Naturraum, das niedersächsische ein Wirtschaftsraum.


Offshoreprojekte in Deutschland bis 2030
Quelle: Tennet, Stand Mai 2022